Spätsommer – Erntezeit – der Duft von frischem Stroh steigt mir in die Nase!

Spätsommer, in den lauen Sommernächten höre ich die Mähdrescher brummen. Wenn ich mich ein bisschen recke, nach hinten ins Holsener Feld schaue, dann sehe ich die Lichter dieser neumodernen Erntemaschinen.

Das war nicht immer so. In meiner Jugendzeit wurde die Getreideernte oft noch mit Sichel oder einem „Reff“ (Sense mit Rundbogen) vorgenommen. Nach dem Abmähen wurde das Getreide zu Garben (Bündel) mittels selbstgedrehten Strohseilen zusammengebunden. Bei kurzem Getreide (z.B. Gerste) wurden meistens Stricke aus Hanf benutzt. Dann stellte man 3 Garben zusammen und bis zu 20 Garben darum herum. Das Mähen war natürlich Männersache, das Binden und Zusammenstellen machten die Frauen.  Wenn das Getreide trocken war, wurde es auf Leiterwagen zum Dreschplatz oder in die Scheunen gefahren, um dort mit Dreschflegeln die Körner aus den Ähren zu schlagen. Mit der Einführung des Gras- bzw. Getreidemähers wurde die  Arbeit wesentlich erleichtert.

Immer mit einer Pferdestärke.

Bald gab es die ersten Erntehelfer. Ein Selbstbinder brachte große Erleichterung.

Die Dreschkästen ersetzten die mühselige Arbeit mit den Dreschflegeln. In Holsen gab es den ersten elektrisch betriebenen Dreschkasten auf dem Hof Neisemeier in Holsen im Jahr 1922, meinem Geburts(Bau)jahr.

Ich hab mir erzählen lassen, dass es mit der Stromversorgung, bzw. mit dem elektrischen Betrieb der Maschinen schon ein abenteuerliches Unterfangen war. Scheinbar gab es nicht genügend Steckdosen. So wurde kurzerhand eine Art Wurfanker konstruiert. Dieser wurde geschickt über die Überlandstromleitung geworfen. Nach getaner Arbeit musste diese Stromversorgung allerdings auch wieder abgestellt werden. Es brauchte nicht lange und eine Lösung war gefunden. Eine lange Holzlatte mit oben angebrachter Querlatte musste mit viel Geschick und Mut, flink unter den Anker auf der Stromleitung platziert werden und mit einem beherzten Sprung von der Stromleitung gestoßen werden.

Trotz der schweren Arbeit gab es immer viel Spaß bei der Arbeit. Alle packten mit an. Eine tolle Gemeinschaft. Getreu dem Motto: Was einer schafft kann zweien nicht zu viel werden.

Alle waren im Einsatz, Knechte, Mägde, die gesamte Familie. Pausen wurden natürlich auch gemacht, direkt auf dem Feld, manchmal im Schatten eines Baumes. Dann wurden die Leckereien aus dem Korb geholt und lecker gegessen und getrunken. Schließlich brauchte man Kraft für die anstrengende Arbeit. Auch die Kinder waren mit dabei. Sie halfen oder spielten auf den Feldern.

Die ersten Mähdrescher waren eine Revolution und brachten enorme Arbeitserleichterung. Das Mähen eines Feldes brauchte nun nicht mehr den ganzen Tag, dieses Wunderwerk der Technik erledigte die Arbeit in ein paar Stunden.

Bald gab es weitere Hilfe, das gute alte Pferd hatte ausgedient. Ein Traktor war der Stolz vieler Bauern.

Die neuen Traktoren waren stark und schafften nun die Ernte in kürzerer Zeit und mit weniger Personal.

Doch für viele Arbeiten braucht es immer noch viele fleißige Hände. Die Arbeit ist zwar mühselig, aber die Geselligkeit, die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt sind großartig.

Und nach getaner Arbeit wurde gefeiert. Einige Jahre gab es auf dem Gut Winkhausen ein Erntedankfest. Hier ein Foto aus dem Jahr 1949 auf dem man die Volkstanzgruppe aus Büren sehen kann. Ein sehr schönes Fest über das ich unbedingt noch mehr erfahren muss.

Ja, und wenn mich nun mit meinen 100 Jahren auf dem Buckel, in den lauen Sommernächten das Brummen der Erntemaschinen nicht schlafen lässt, wenn die großen Traktoren an mir vorbei donnern und es mich in jeder Fuge rüttelt, ja, dann denke ich gern an die Zeit als die Pferdefuhrwerke hier vorbeizogen. Das Klappern der Hufe war Musik in meinen Ohren. Das fröhlich Gequieke der Kinder und besonders der jungen Mädchen auf den hochbeladenen Heu- und Strohwagen, es war soooo schön. Da werd ich direkt ein bisschen schwermütig. Seufz!!!! Gut, dass ich morgen früh von den dem fröhlichen Treiben der Kinder an der Bushaltestelle geweckt werde, das ist immer ein guter Start in den Tag und vertreibt die schwermütigen Gedanken.